Warum der Geisterglaube in Thailand so verbreitet ist
In Europa findet der Geisterglaube allein schon deshalb keine Verbreitung, weil damit unweigerlich der Bezug zu Primitivkulturen verbunden ist. In Thailand hingegen ist der Geisterglaube bis in die obersten Schichten der Gesellschaft weit verbreitet.
Der Glaube an die guten und bösen Geister, an die vielen unsichtbaren Gnome, die anscheinend die Menschen dort Tag und Nacht quälen, die gute Fee, die einem Tag und Nach vor Unfällen behütet, oder die Geister, die bei der nächsten Lotterie den Hauptgewinn oder bei Wetten den Gewinner voraussagen, alle haben ihren Platz im täglichen Leben in Thailand. Nicht nur auf dem Land, wie man vielleicht annehmen könnte, sondern auch überall in Bangkok bis hin zu den Universitäten Thailands.
Geisterglaube ist nichts außergewöhnliches in ganz Ostasien. Ebenso wie die Thais glauben auch die Chinesen an Geister und Drachen. Die chinesische Kultur kennt viele Götter. Jedes Haus hat seinen Haus- und Küchengott. Viele Berufsgruppen haben ebenfalls ihre eigenen Götter. Studenten beten Wan Chung an, den Gott der Wissenschaftler, für Ladenbesitzer ist Tsai Shin zuständig, der Gott des Wohlstands, Soll ein Haus gebaut oder eine Grabstätte gefunden werden, dann wird zuerst der Feng-Shui Experte gerufen. Ohne Feng-Shui können weder Geschäfts- und Apartmenthäuser, noch Autobahnen gebaut, oder Bäume gefällt werden.
Thailand steht dem nicht viel nach. So wird beispielsweise für die Pflug-Zeremonie, ein Fest brahmanischen Ursprungs, das immer Anfang Mai stattfindet, noch immer der günstigste Tag und die günstigste Stunde von brahmanischen Astrologen festgelegt. Auch kommt es vor, daß der genaue Zeitpunkt für königliche Rituale von den königlichen Astrologen berechnet wird.
In Thailand werden Geister, gute ebenso wie böse, in viele tägliche Entscheidungen mit einbezogen, ähnlich fast wie in England, wo es Wetten für und gegen alles gibt. Geister in Thailand und das Wetter in England sind bekannt für ihre Launen und immer gut für irgendwelche Kapriolen. Trotz allem bemühen sich Thais bei jeder Gelegenheit, auf die Geister Einfluss zu nehmen.
Bieten Astrologen und Wahrsager ihre Dienste überwiegend nur rund um die Wats an, so kann man den Geisterglauben an den überall anzutreffenden Geisterhäuschen ausmachen. Geisterhäuschen findet man findet man bei fast allen Wohngrundstücken. Ebenso sind sie anzutreffen bei vielen Krankenhäusern, Hotels und Geschäftshäusern. Selbst Universitäten haben ihre Geisterhäuschen.
Kleinere Geisterhäuschen erinnern am ehesten an Vogelhäuschen. Bei den Exemplaren, die man vor Hotels und Krankenhäuser findet, sollte man eher schon von Geisterhäusern sprechen. Sie sind so groß, daß sie sogar als Unterschlupf für Pfauen oder Straußen-Vögel dienen könnten.
Gemäß thailändischem Aberglauben wohnen dort aber keine Vögel, sondern Phra Phum der Ortsgeist, der einfach schon immer da war, bevor Menschen auftauchten. Es ist daher wichtig erst dem Ortsgeist eine neue Unterkunft zu geben, bevor mit dem Bau eines Hauses angefangen werden kann.
Es ist jedoch nicht so, daß der Ortsgeist in irgendeine Ecke verfrachtet werden kann. Um das Wohlwollen des Geistes zu erhalten, muss man schon wissen, welches der bevorzugte Platz ist. Daher ist es notwendig, einen Experten, in der Regel einen brahmanischen Priester, zu Rate zu ziehen. Ein paar allgemeingültige Regeln für das Aufstellen der Geisterhäuschen gibt es schon. So sollte es vorzugsweise nach Norden ausgerichtet sein. Ist das nicht möglich dann sollte es nach Süden ausgerichtet werden. Auch sollte verhindert werden, daß Schatten vom Menschenhaus auf das Geisterhaus fällt, was den Geist davon abhalten könnte dort einzuziehen und stattdessen im Menschenhaus mit wohnen will. Das wiederum könnte böse Folgen haben. Außerdem sollten Geisterhäuschen auf einem Pfosten oder einer Säule ruhen, jedoch in jedem Falle so, daß sich der Wohnbereich des Geistes oberhalb der Augenhöhe von Menschen befindet.
Nicht nur allein die Positionierung der Geisterhäuschen ist entscheidend, es gibt auch Richtlinien für die Architektur. Es scheint, daß thailändische Geister alle den selben Wohngeschmack haben, denn die Häuschen haben normalerweise ein einziges Zimmer und eine äußere Terrasse. Das Zimmer befindet sich auf einer etwas niedrigeren Ebene. Ein geschnitztes Bild des Ortsgeistes kommt üblicherweise in das Häuschen. Dazu gebastelt wird oft eine Art Heiligenschein aus einem glänzenden Material. Zur Standardausstattung gehört noch eine Art Notizbuch. Darin, so glauben Thais, notiert der Geist alle Todesfälle, die unter der Herrschaft des Geistes eingetreten sein.
Es muss natürlich sichergestellt werden, daß der Geist auch seinen neuen Wohnsitz akzeptiert. Dazu muss er offiziell eingeladen werden. Es genügt jedoch nicht einfach eine Einladung auszusprechen, das Häuschen muss vorher noch appetitlich hergerichtet werden. Auf der Terrasse wird daher ein kleines Bankett aufgebaut, mit Räucherstäbchen, Kerzen und Blumen, sowie allerlei Speisen und Getränke.
Grundsätzlich lebt der Ortsgeist in Vollpension. Vormittags bekommt er normalerweise seine Tagesration an Obst, Reis und Tee, neuerdings auch schon mal eine Flasche oder ein Glas Cola. Abends bekommt er frische Blumen und es werden die Räucherstäbchen angezündet.
Besucht ein Gast ein Haus in Thailand, so will es die Sitte, daß zuerst der Ortsgeist und dann der Hausbesitzer begrüßt wird. Wenn der Gast über Nacht bleibt, sollte er dazu die Erlaubnis des Ortsgeistes einholen. Damit will man Alpträumen vorbeugen. Thais glauben, daß sich Geister auf die Brust der schlafenden Menschen setzen und dadurch Atembeschwerden bereiten und als Folge davon Alpträume hervorgerufen werden.
Obwohl 95% der Thais Buddhisten sind, sieht man oft Thais, die vor irgendwelchen Geisterhäuschen beten. Die Geisteranbetung hat mit Buddhismus eigentlich recht wenig zu tun. Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Buddhismus für Durchschnitts manchmal zu sehr aufs Nirwana ausgerichtet ist, und die Anbetung der Geister helfen, soll die Probleme des Alltags, seien sie finanzieller, körperlicher oder geistiger Art, zu lösen. Vielleicht ist es dabei auch am einfachsten, an gewöhnliche Geister zu glauben.
Einfachen Geistern kann man nach thailändischem Verständnis auch schon mal einen Handel vorschlagen: „Lieber Geist, wenn Du mir aus meiner finanziellen Misere hilfst, dann bekommst Du drei Diener und eine Flasche Mekong-Whisky dazu“. Die Diener werden symbolisch durch kleine geschnitzte Elefanten dargestellt, die vor fast jedem Geisterhäuschen anzutreffen sind. Die Flasche Mekong-Whisky wird ein oder zwei Tage offen auf die Terrasse des Geisterhäuschens gestellt. Dann gilt sie symbolisch als getrunken. Und was sollte so ein so verwöhnter Ortsgeist schon dagegen haben, wenn der Whisky dann später tatsächlich von Menschen getrunken wird.
In Bangkok gibt es Geisterhäuser, die fast schon den Charakter einer Wallfahrtsstätte haben, wie beispielsweise der Erawan-Schrein an der Ecke Ploenchit-Road und Rajadamri-Road. Der Schrein wurde 1956 während der Bauzeit für das alte Erawan-Hotel erstellt. Das alte Hotel wurde inzwischen abgerissen und durch das neue Hyatt Erawan Hotel ersetzt. Nachdem sich beim Bau des alten Hotels einige Unfälle ereigneten, machte unter den Arbeitern auf einmal das Gerücht die Runde, daß die Ortsgeister gegen das Projekt seien. Vom herbeigerufenen Astrologen und Geisterdoktor wurde tatsächlich festgestellt, daß die Geister aufgebracht seien, weil auf dem Grundstück zuvor einige Bäume gefällt worden waren, die den Geistern als Ruhestätte dienten. Um wieder das Wohlwollen der Geister zu erlangen, wurde so schnell wie möglich der ziemlich groß bemessene Erawan-Schrein erstellt, in den die Geister einziehen konnten. Nachdem die Geister zufrieden gestellt waren, gab es beim Bau des Hotels keine Zwischenfälle mehr.
Wie bereits zuvor erwähnt wurde das Hotel jedoch bereits nach nicht einmal 35 Jahren wieder eingerissen und es entstand an gleicher Stelle das Ende 1991 eingeweihte wesentlich modernere Hyatt Erawan Hotel. Der Erawan-Schrein ist jedoch geblieben und wird täglich von unzähligen Menschen besucht, die darauf hoffen, daß sich nach eifrigem Beten ihre Wünsche auf wundersame Weise erfüllen.
Wie schon vorher gesagt, mit Buddhismus hat das alles recht wenig zu tun. Offiziell gewidmet ist der Erawan-Schrein dem hinduistischen Gott Brahma.
aberglaube.net says
Über Geisterglaube informiere ich mich regelmäßig. Danke also für deinen Blogpost zum Thema. Vielen Dank dafür, Kornelia.