Noch vor wenigen Monaten war der Touristen-Hotspot Khao San Road in Bangkok an den Wochenenden voll von Menschen. Preiswertes und zudem noch leckeres Straßenessen, gesellige Bierbars und kreative Tattoo-Studios, Straßenverkäufer, die alles Mögliche anpriesen, günstige Unterkünfte und das pulsierende Nachtleben zogen sowohl preisbewusste Backpacker als auch viele Reisegruppen an.
Derzeit sieht alles anders aus. An einem Samstagabend ist die Straße bis auf ein paar Dutzend Einheimische, die an den mit Brettern vernagelten Geschäften vorbei laufen, menschenleer. Mitarbeiter der Pubs und Restaurants, die ihre Speisen- und Getränkeangebote lautstark anpreisen, werden völlig ignoriert.
In der Khao San Road in Bangkok sind deutlich die von der Politik verursachten Auswirkungen der Maßnahmen gegen die Coronavirus-Pandemie zu sehen. Vor dem Einreiseverbot für Ausländer war Bangkok vier Jahre in Folge die meistbesuchte Stadt der Welt.
Jetzt haben viele Geschäfte im Viertel geschlossen. Wenn nicht bald ausländische Touristen zurückkommen, dann werden auch die derzeit noch geöffneten Geschäfte bald schließen. Die wenigen Einheimischen, die an den Wochenenden unterwegs sind, reichen nicht aus, um die Geschäfte rentabel zu führen.
Nach einem neuen Rekord von 39,8 Millionen ausländischen Touristen im vergangenen Jahr, die 11,4% zum Bruttoinlandsprodukts des Landes beigetragen haben, wollte Thailand in diesem Jahr mehr als 40 Millionen Touristen willkommen heißen.
Doch aufgrund von Flugverboten, Einreisesperren und Quarantäne werden es in diesem Jahr nur maximal 8 Millionen Touristenankünfte sein. Und davon sind die meisten in den ersten drei Monaten des Jahres ins Land gekommen, bevor Thailand seine Grenzen geschlossen hat.
Ganz deutlich sind die Auswirkungen in Bangkok zu spüren. Die meisten Ankömmlinge verbrachten hier meist nur ein oder zwei Nächte, bevor sie weiter zogen an die Sandstrände im Süden oder in die Berglandschaften im Norden des Landes. Momentan jedoch lautet die berechtigte Frage, ob die Stadt den Massentourismus, auf den sie bisher gebaut hat, vielleicht aufgeben sollte.
Mit dieser Frage müssen sich derzeit viele Städte auf der ganzen Welt auseinandersetzen. Die Zukunft des Städtetourismus ist zumindest kurz- bis mittelfristig sehr ungewiss. Viele Städte, die stark vom Tourismus abhängig sind, befinden sich momentan in einer Krise, die noch vor wenigen Monaten niemand für möglich gehalten hat. Die Verantwortlichen stehen jetzt vor der Entscheidung, ob sie abwarten sollen bis sich der Massentourismus wieder erholt, oder ob sie beginnen sollen mit der Entwicklung von anderen neuen Industrien und Geschäftsmodellen.
Das Wirtschaftsmodell einer Stadt lässt sich jedoch nicht einfach auf Knopfdruck umrüsten. Es ist alles andere als einfach, sich von einem Wirtschaftsmodell zu lösen, das stark vom Tourismus abhängig ist, es sei denn, es bietet sich etwas anderes an, das zum einen recht schnell die Lücke füllen könnte und zum anderen mindestens ebenso viele Vorteile mit sich bringt.
Qualität statt Quantität
In den letzten Jahren haben die billigen Flugreisen einen regelrechten Boom im Bereich des Städtetourismus ausgelöst. Das hatte zur Folge, dass viele der stark frequentierten Städte vor enorme Problemen gestellt wurden. Sie mussten versuchen, die Bedürfnisse der Anwohner mit den Ansprüchen der Besucher in Einklang zu bringen, die zum einen das Gastgewerbe ankurbeln, aber anderseits auch einigen Schaden anrichten können.
Ein Ansturm von Städtetouristen kann die Anwohner frustrieren, die Mieten in die Höhe treiben und die Infrastruktur einschließlich des öffentlichen Nahverkehrs und der Abfallwirtschaft unter Druck setzen, während gleichzeitig Ökologie und Kulturgüter Schaden nehmen.
Aufgrund der Einschränkungen zur Eindämmung des Coronavisrus-Ausbruchs versuchen einige Städte ihre auf den Tourismus ausgerichteten Strategien zu ändern. Städte entwickeln jedoch im Laufe der Zeit bestimmte Tourismusprofile und darauf basierende Wirtschaftsmodelle. Davon sind sie abhängig und sie werden ihren Ansatz kaum ändern wollen, wenn sie es nicht unbedingt müssen.
So hat Thailand in den letzten Jahren einige seiner beliebtesten Strände geschlossen, damit sich die empfindlichen Korallenriffe von der durch den Tourismus verursachten Belastung erholen können. Auch die Anzahl der Verkaufsstände in der Khao San Road und anderen Gebieten wurde reguliert, um noch mehr Touristen anzulocken.
Es gab auch immer wieder Bestrebungen, Thailands Ruf als Hot-Spot für Sextouristen abzulegen und die Aktivitäten der Go-Go-Bars und Soapy Massagesalons einzuschränken, für die Bangkok, Pattaya und einige andere Strandorte berüchtigt sind.
Ein Tourismusexperte, der seit langem das Streben der Behörden nach Quantität statt Qualität kritisiert, führt dazu an, dass die Behörden jetzt die Möglichkeit hätten, zu nachhaltigeren Modellen überzugehen.
Der Wettlauf um neue Rekorde bei den Touristenankünften sei nicht gut fürs Land. Immer mehr sei nicht besser, und schon gar nicht finanziell vorteilhafter und nachhaltiger für das Land.
Szenarien die möglich werden könnten
Thailand hat bei der Eindämmung des Coronavirus bisher sehr gut abgeschnitten. Insgesamt gibt es bis heute lediglich etwa 3.400 positiv getestete Fälle und 58 Todesfälle.
Dennoch wurden die Pläne zur Öffnung des Landes für den Tourismus mit sogenannten „Travel-Bubble“ Abkommen mit ausgewählten Ländern, das die Einreise von Touristen ohne die Notwendigkeit einer Quarantäne erlaubt hätte, auf Eis gelegt, weil in den infrage kommenden Ländern in Ostasien die Zahl der bestätigten Covid-19 Fälle wieder gestiegen ist.
Lediglich bestimmte Personengruppen, wie Geschäftsreisende oder Medizintouristen, werden derzeit unter Auflage von weitreichenden Quarantäne- und Hygienemaßnahmen ins Land gelassen. Gleichzeitig versucht die Regierung, den inländischen Tourismus mit Konjunkturmaßnahmen im Wert von mehr als 600 Millionen Euro zur anteiligen Deckung der Kosten für Hotels und Flüge zu fördern.
Dem stellvertretenden Gouverneur für Marketing bei der thailändischen Tourismusbehörde (TAT) zufolge trägt der Inlandstourismus etwa 30% zum Gesamtmarkt bei. Bisher wurde dem Inlandstourismus eher wenig Aufmerksamkeit gewidmet.
Alle bisherigen Krisen, ganz gleich ob Tsunami, SARS, MERS, die Vogelgrippe oder politische Umwälzungen seien schlimm für die Tourismusindustrie gewesen. Aber keine der Krisen habe solche verheerenden Auswirkungen verursacht wie COVID-19. Die Corona-Krise habe alles verändert.
Der Tourismus in Thailand wird nicht mehr derselbe wie vorher sein. Weder die vielen Reisebusse und Tuk-Tuks vor dem Großen Palast oder dem Chatuchak-Markt, noch die Tourguides, die große Reisegruppen zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Bangkok führen, all das werde der Vergangenheit angehören. Das Land werde sich auf ein neues Szenario vorbereiten müssen.
Hotels klagen darüber, dass auch der Tagungs- und Konferenzmarkt weggebrochen sei. Einen Lichtblick gibt es hingegen bei der Nachfrage nach Ökotourismus und Wellness- und Medizintourismus.
Laut Tourismusexperten könnten Luxusurlaube eine Chance sein. Der Inlandstourismus könne nur bis zu einem gewissen Grad die Verluste insgesamt ausgleichen. Auch könnten die Behörden der Sexindustrie nicht einfach den Hahn abdrehen, ohne gleichzeitig eine Strategie und einen Plan zur Entwicklung des Kulturtourismus in petto zu haben.
Fakt ist jedoch, dass der internationale Tourismus nicht, oder nur in geringem Maße nach Thailand zurückkehren wird, solange die Besucher für die Einreise ein Certificate of Entrance (COE), teuren Krankenversicherungsschutz wegen Covid-19 und aktuelle negative Testzertikate benötigen. Obwohl bereits negativ getestet, müssen sich die Ankömmlinge nach der Ankunft auch noch 14 Tage in Quarantäne begeben, wieder und wieder testen lassen, fast überall Mundschutz tragen und jeden Schritt und Tritt von einer Tracking-App überwachen lassen. Die Entwicklung der betreffenden App wurde bereits in Auftrag gegeben und soll bis Oktober einsatzbereit sein.
Die Frage ist doch, welcher Tourist, der halbwegs klar bei Verstand ist, sollte sich das alles freiwillig antun und dafür auch noch viel Geld bezahlen?
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