Die thailändische Politik ist in einer Sackgasse angelangt. Auf keiner der beiden Seiten sind Anzeichen dafür zu erkennen, dass sie das Tauziehen, das nun seit fast fünf Monaten Thailand bewegt, beenden werden. Sowohl die Regierung als auch die Protestgruppen weigern sich, aufeinander zuzugehen. Kompromisse sind nicht in Sicht.
Beobachter sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der Konflikt zwischen den Machthabern und der Anti-Establishmentbewegung noch länger dauern wird, ohne dass eine Versöhnung in Sicht ist. Einige schließen sogar die Möglichkeit eines Putsches als letztes Mittel nicht aus, andere sagen voraus, dass Premierminister Prayut Chan-o-cha bis zum Ende seiner Amtszeit im Jahr 2023 an der Macht bleiben wird.
Die Anti-Establishmentbewegung hat seit Juli an Fahrt gewonnen und fordert, dass Prayut und seine Regierung zurücktreten, die von der Junta gebilligte Verfassung neu geschrieben und die Monarchie reformiert wird.
Sie eskalieren ihre Proteste bis zu einem Punkt, an dem ein Rückzug nicht mehr möglich ist und damit das Land spalten, indem sie die Monarchie herausfordern, sagen Beobachter.
Bisher kein Zeichen der Versöhnung
Schlichter haben Alternativen vorgeschlagen, um den Konflikt gewaltfrei beizulegen. So wurden z.B. Friedensgespräche angeregt, aber jede Seite hat sich verweigert, weil der Einsatz für beide Seiten zu hoch ist. Auch die Bemühungen um die Einrichtung eines Versöhnungsausschusses werden wahrscheinlich scheitern, weil die Demonstranten das Gremium boykottiert haben.
Viele Beobachter warnen nun vor möglichen Zusammenstößen und gewaltsamen Auseinandersetzungen, falls die von Studenten geführten Demonstranten sich weigern sollten, ihre Forderungen, insbesondere ihre Forderung nach Reformen der Monarchie, abzumildern. Es besteht auch die Sorge, dass die Regierung das Kriegsrecht verhängen oder sogar von der Armee gestürzt werden könnte, wenn die Dinge außer Kontrolle geraten. Es ist nicht auszuschließen, dass die Eskalation der Proteste eine zunehmende Wahrscheinlichkeit gewaltsamer Zusammenstöße und Blutvergießen mit sich bringt.
Das Potenzial für gewaltsame Auseinandersetzungen wurde schon bald nach Beginn der Zerstreuung der Demonstranten am 25. November deutlich, als zwei Männer angeschossen und schwer verwundet wurden, obwohl der Zusammenhang der Schüsse mit der Kundgebung weiterhin unklar ist. Die Kundgebung zur Reform der Monarchie fand vor dem Hauptsitz der Siam Commercial Bank (SCB) im Bangkoker Stadtteil Chatuchak statt. Der Ort wurde bewusst gewählt, weil der Monarch der Hauptaktionär der Bank ist.
Eine Woche zuvor hatten mehr als 50 Demonstranten bei einer Kundgebung vor dem Parlamentsgebäude Verletzungen erlitten, als die Polizei Wasserwerfer und Tränengas gegen die Demonstranten einsetzte und Scharmützel zwischen Royalisten und prodemokratischen Demonstranten ausbrachen. Sechs Demonstranten erlitten dabei Schussverletzungen. Es war der erste größere Zusammenstoß zwischen den beiden rivalisierenden Gruppen.
Beobachter befürchten, dass diese Zusammenstöße und die Ankündigung des Premierministers, alle einschlägigen Gesetze durchzusetzen, zu einem schweren Ausnahmezustand führen könnten. Kriegsrecht und schließlich ein Militärputsch könnten folgen. Ein Staatsstreich könnte das letzte Mittel sein, wenn Zusammenstöße zwischen Royalisten und Anti-Establishment-Protestierenden zu massiven Verletzungen führen oder sogar Todesopfer fordern wird.
Ein Experte der Sukhothai Thammathirat Open University äußert sich dazu und erklärt, dass er eine militärische Machtübernahme durchaus für eine reale Möglichkeit hält, weil Thailand keine stabile Demokratie habe und die Struktur der Armee einen Putsch begünstige. Seiner Ansicht nach würde dies die Situation jedoch nur noch weiter verschlimmern.
Weiter fügte er hinzu, dass die Durchführung eines Putsches das letzte Mittel zur Auflösung des Patts sei, aber es werde die politische Krise nicht beenden. Stattdessen werde es die Situation noch weiter verschärfen, auch weil die Demonstranten deutlich gemacht hätten, dass sie weder einen Putsch noch eine Regierung der nationalen Einheit akzeptieren werden.
Im vollen Bewusstsein, dass ein militärisches Eingreifen mit der Eskalation des Konflikts wahrscheinlicher wird, besetzten pro-demokratische Demonstranten kürzlich die belebte Lat Phrao Kreuzung, um einen Anti-Putsch-Protest zu inszenieren.
Ihre Anführer forderten die Demonstranten auf, sich jeder militärischen Intervention zu widersetzen, und führte an, dass täglich neue Gerüchte über einen Staatsstreich aufkommen würden. Wenn ein Putsch inszeniert werden sollte, dann würden noch mehr Menschen auf die Straße gehen, um ihn zu vereiteln.
Premierminister Prayut wies die Putschgerüchte zurück und fügte hinzu, er werde in Bangkok nicht das Kriegsrecht verhängen, die bestehenden Gesetze seien der Situation angemessen.
Es wird sich wenig ändern
Ein führender Politologe an der Rangsit-Universität erwartet, dass sich die Krise in einen kalten Krieg verwandeln könnte, in dem beide Seiten im Stillen Unterstützung für ihre gegensätzlichen Ideologien sammeln.
Dies könnte Prayut in die Lage versetzen, bis zum Ende seiner Amtszeit Anfang 2023 weiter zu regieren, wobei die Ausarbeitung einer neuen Verfassung bis dahin verschoben wird.
Zwei Entwürfe zur Änderung der Charta, die den Weg für eine Neufassung der Verfassung ebnen, werden derzeit von einem parlamentarischen Gremium geprüft. Obwohl kein offizieller Zeitplan festgelegt wurde, wird erwartet, dass sich Thailand frühestens 2022 eine neue Verfassung geben wird, vorausgesetzt es gibt keine rechtlichen Hürden.
Prayut sei nach wie vor in der Lage, alle Hebel der Macht zu kontrollieren. Er habe die Unterstützung des Militärs, und es gibt eigentlich keinen geeigneten Kandidaten, der ihn ersetzen könnte, sagte der Politologe.
Forderung nach Reform der Monarchie
Die Protestkundgebung zur Abwehr eines Putschs fand zwei Tage nach der Versammlung Tausender pro-demokratischer Demonstranten vor dem Hauptsitz der Siam Commercial Bank statt, eine direkte Herausforderungen an den Monarchen. Es war die erste Kundgebung, bei der es fast ausschließlich um Transparenz und Rechenschaftspflicht in Bezug auf das königliche Vermögen ging, einer der 10 Punkte im Manifest für eine Reform der Monarchie. Das Manifest war von der Bewegung im August veröffentlicht worden.
Die SCB ist die älteste Bank Thailands und nach Vermögen der größte Kreditgeber des Landes. Laut der Website der SCB ist der thailändische König ihr größter Aktionär und hält 23,53 Prozent der Anteile an der Bank, nachdem das vom Crown Property Bureau verwaltete Vermögen in seine persönliche Kontrolle übergegangen ist.
Das 10-Punkte-Manifest fordert die Annullierung des von der Militärregierung verabschiedeten Königlichen Vermögensstrukturierungsgesetzes von 2018. Das Gesetz vereint das persönliche Vermögen des Königs und das Vermögen der Krone, das vom Crown Property Bureau verwaltet wird. Für das Vermögen der Krone war zuvor das Finanzministerium zuständig.
Bei der Kundgebung verkündete der Protestführer und Rechtsanwalt Arnon Nampa, dass Unterschriften gesammelt würden, um einen parlamentarischen Gesetzesentwurf zu unterstützen, der das Vermögen des Crown Property Bureau unter die Verwaltung einer gewählten Regierung stellt.
Die Verlagerung des Schwerpunkts der pro-demokratischen Bewegung auf die Monarchie hat dazu geführt, dass die Protestführer gemäß dem nicht mehr zeitgemäßen Artikel 112 des Strafgesetzbuches wegen Majestätsbeleidigung angeklagt wurden.
Das Gesetz war zwei Jahre lang nicht angewendet worden, wurde aber Stunden, bevor sich die Demonstranten vor dem SCB-Hauptquartier versammelten und eine Rückgabe von Vermögenswerten, die den Bürgern gehören sollten, forderten, wiederbelebt.
Nach Angaben der thailändischen Anwälte für Menschenrechte wurden über 20 Protestführer vorgeladen, um sie wegen Verleumdung des Königshauses anzuklagen. Es ist das erste Mal, dass Artikel 112, der eine Strafe von bis zu 15 Jahren Gefängnis vorsieht, auf die im Juli gestartete Massenprotestbewegung angewendet wurde.
Im Juni noch hatte Prayut erklärt, der König habe die Regierung angewiesen, Artikel 112 nicht anzuwenden. Diese Anweisung ist nun offenbar nichtig.
Er habe keine Angst, sagte der Protestführer Parit „Pinguin“ Chiwarak, nachdem er kürzlich von der Polizei vorgeladen worden war. Er mache sich mehr Sorgen, dass dieses Lese Majeste Gesetz in der Politik immer noch angewendet wird. Die Situation im Land werde sich weiter verschlechtern.
Kritiker sind der Meinung, dass Artikel 112 schon lange dazu benutzt werde, um Regierungskritiker zum Schweigen zu bringen. Die Wiederaktivierung des Gesetzes markiere einen Punkt, an dem es für die Protestbewegung kein Zurück mehr gebe, sagte Parit.
Wenn sie kommen und uns verhaften, dann werden die Proteste auch ohne uns weitergehen. Die Bewegung habe nun ein anderes Level erreicht. Von nun an werde es keine Nachgiebigkeit oder einen Rückzug der Aktivisten geben, sagte er vor Kurzem auf einer Kundgebung.
Quelle: Thai PBS World
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