Vor dem Ausbruch der Covid-Pandemie generierte der Tourismus fast 20 Prozent des thailändischen Bruttoinlandsprodukts. Die teilweise Wiederöffnung der Landesgrenzen für geimpfte ausländische Touristen am 1. November wird als ein notwendiger, aber auch riskanter Schritt angesehen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.
Die thailändische Fremdenverkehrsbehörde (TAT) hat eine ganze Reihe von optimistischen Schätzungen über die Zahl der Touristen abgegeben, die Thailand in den Jahren 2021 und 2022 besuchen werden. Diese beruhen jedoch mehr auf Wunschdenken als auf der Realität eines touristischen Umfelds, das bedingt durch den weltweiten Anstieg der Covid-19-Fälle und den darauf folgenden Reisebeschränkungen in vielen Teilen der Welt unkalkulierbar geworden ist.
Die teilweise Öffnung der Grenzen von Thailand für Besucher aus 63 Ländern erfolgt zu einer Zeit, in der Bars und Unterhaltungsbetriebe im ganzen Land geschlossen bleiben und Restaurants in den meisten Teilen des Landes keinen Alkohol zu den Mahlzeiten servieren dürfen.
Die angeblich quarantänefreie Einreise für vollständig geimpfte ausländische Besucher hat sich als Mogelpackung erwiesen, da die Ankömmlinge bis zu 30 Stunden in einer Hotelquarantäne ausharren müssen, bis ihre Testergebnisse vorliegen. Zudem sind für die Einreise nach Thailand eine Reihe von Formalitäten und Verfahren erforderlich, darunter vollständige Impfbescheinigungen, eine im Voraus bezahlte Hotelbuchung, eine Krankenversicherung mit einer Deckungssumme von 50.000 USD, die Covid-19 Behandlungen beinhaltet, sowie der Thailand Pass, der online beantragt werden muss. Die Website des Thailand-Passes wurde von den Antragstellern wegen Problemen und Verzögerungen bei der Genehmigung bemängelt. Trotzdem wurden bis zum 4. November rund 50.000 Anträge gestellt und davon 12.607 bewilligt.
Seit der Lockerung der Beschränkungen sind vom 1. bis 14. November rund 50.000 Ausländer nach Thailand eingereist. Die Zahl ist vernachlässigbar, denn im Jahr 2019 kamen fast 40 Millionen Touristen an, statistisch gesehen also rund 3,3 Millionen pro Monat. Berichten zufolge handelt es sich bei einer beträchtlichen Anzahl der angekommenen Besucher zudem nicht um Touristen, sondern um Ausländer, die nach Thailand zurückgekehrt sind. Eine Studie aus dem Jahr 2010 schätzt die Zahl der Expats in Thailand auf rund 2,6 Millionen Menschen, wobei allein im Jahr 2018 in Thailand 80.000 neue Visa für den Ruhestand ausgestellt wurden. Darin sind die von den thailändischen Botschaften im Ausland ausgestellten Langzeitvisa nicht enthalten.
Die teilweise Öffnung Thailands für internationale Touristen am 1. November ist seit Ende 2020 der dritte Versuch den Tourismus wieder zu beleben. Das vielgepriesene Special Tourist Visa (STV) war gelinde gesagt ein Flop, und das Sandbox-Programm, das zunächst auf Phuket beschränkt war und später auf Koh Samui erweitert wurde, zog zwischen Juli und Ende September gerade einmal 38.000 Besucher an, wobei auch hier wiederum zurückkehrende Expats einen beträchtlichen Anteil ausmachten.
Die Wiedereröffnung von Thailand für internationale Touristen wird angesichts der relativ niedrigen Impfrate auch als großes Risiko angesehen. Bis zum 8. November waren nur 49,1% der Gesamtbevölkerung von Thailand vollständig geimpft. Eine Umfrage der Suan Dusit Rajabhat Universität unter 1.392 Befragten ergab, dass 59,86% die Öffnung von Thailands Grenzen für internationale Touristen ablehnen, während 60,1% angaben, es sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, die Grenzen des Landes zu öffnen.
Eine Rezession, die viele in extreme Bedrängnis bringt
Thailand ist inzwischen ein ganz anderes Land als noch vor dem März 2020. Das BIP ist im Jahr 2020 um 6,9% geschrumpft, wodurch schätzungsweise 2 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz verloren haben. Daneben gibt es noch den großen informellen Sektor mit weitaus mehr Minderbeschäftigten. Am stärksten betroffen waren die Beschäftigten im Beherbergungs- und Gaststättengewerbe, in der Unterhaltungsbranche und im Transportwesen. Allein das zeigt, welche Bedeutung der Tourismus für das Land hatte.
Orte wie Phuket, Pattaya, Hua Hin, Hat Yai oder Chiang Mai, die stark vom Tourismus abhängig sind, ähneln teilweise Geisterstädten, wo viele Geschäfte dauerhaft geschlossen sind. In den letzten Monaten gaben die steigenden Preise für Grundnahrungsmittel und Benzin Anlass zur Sorge über die Inflation, die im Oktober 2021 bei 2,38% lag. Angesichts der von der Weltbank auf 6,4% der Bevölkerung geschätzten und weiter zunehmenden Armut wird die Inflation die Situation der Armen im ganzen Land noch weiter verschärfen.
Der stellvertretende thailändische Finanzminister rechnet damit, dass sich bis zu 15 Millionen Thais, also fast 20%, im Armenregister des Finanzministeriums, das Anfang nächsten Jahres einsatzbereit sein soll, registrieren lassen werden, um zusätzliche staatliche Leistungen erhalten zu können.
Die Zahl der Covid-19-Fälle im ganzen Land ist im letzten Monat allmählich auf etwa 7.000 Fälle pro Tag zurückgegangen, wobei sich die Zahl der Todesfälle inzwischen auf unter 100 pro Tag eingependelt hat. Die Durchimpfungsrate, die in touristischen Regionen wie Bangkok, Phuket, Koh Samui, Phang Nga und Chonburi bei etwa 70% der Gesamtbevölkerung liegt, ist in anderen Gebieten deutlich niedriger. Die positiven Testungen in den vier südlichen Grenzprovinzen Songkhla, Patani, Yala und Narathiwat sind nach wie vor sehr hoch. Zudem wehren sich beträchtliche Teile der lokalen Bevölkerung zunehmend gegen die Impfung. Da sich keine rückläufige Tendenz bei den positiv Getesteten abzeichnet, wird es sehr schwierig sein, viele Touristen aus Malaysia nach Thailand zu locken. Im Jahr 2019 sind rund 4 Millionen Besucher aus Malaysia gekommen, d. h. 10% der ausländischen Besucher von Thailand reisten über die malaysisch-thailändische Grenze ein.
Die Wiederbelebung des internationalen Tourismus kann einige Zeit dauern
Eine Rückkehr zu den Touristenzahlen aus der Zeit vor der Covid-Pandemie ist höchstwahrscheinlich für einige Jahre ausgeschlossen. Wie China schränken viele Länder die Reisemöglichkeiten ihrer Staatsangehörigen zu Urlaubszwecken ein. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Faktoren innerhalb von Thailand, die eine Wiederbelebung des Tourismus in absehbarer Zeit behindern könnten.
Die Prognosen der TAT, dass im Jahr 2022 zwischen 10 und 18 Millionen Touristen nach Thailand kommen werden, sind mit Vorsicht zu genießen und entsprechen eher Wunschdenken. Auch der Fokus der TAT, bevorzugt wohlhabende Touristen anzuziehen, scheint eher auf einer fixen Idee als auf Marktforschung zu beruhen, ebenso wie die Ideen, verstärkt Ersttouristen und reiche indische Touristen anzulocken. Die begrenzte Einführung des Sandbox-Programms auf Phuket im Juli dieses Jahres hat nicht dazu geführt, dass die kleinen Geschäfte, wie Unterhaltungsbetriebe, Massagesalons und kleine Restaurants, die üblicherweise vom Tourismus leben, viel Geld einnehmen konnten. Wohlhabende Touristen logieren nur in den luxuriösen Fünf-Sterne-Resorts, die meist im Besitz großer Unternehmen sind, geben aber außerhalb der Resorts kaum Geld aus.
Traditionell sind die meisten Touristen, die bisher nach Thailand kamen, eher preisbewusst. Thailand ist seit jeher das Ziel von Rucksacktouristen, Urlaubern mit mittlerem Einkommen und einem kleinen Prozentsatz reicher Touristen. Inzwischen gibt es aufstrebende Länder wie Vietnam, Indonesien und sogar Malaysia, mit denen Thailand im Wettbewerb steht. Die Karibik, Lateinamerika und Südeuropa ziehen in diesem Jahr viele Touristen aus Europa an, weil sie wettbewerbsfähig sind und sich die Einreise in die einzelnen Länder relativ einfach gestaltet.
Thailands größtes Hindernis für die Ausweitung des internationalen Tourismus ist die Bürokratie des Landes. Die Regierungsbehörden stellen viel zu komplexe Anforderungen an potenzielle Touristen, die in Thailand Urlaub machen wollen. Darüber hinaus ist die Einreise nach Thailand jüngsten Berichten zufolge auch durchaus riskant geworden. Wenn ein Besucher bei der Ankunft positiv auf Covid getestet wird oder aber ein negatives Testergebnis hat, jedoch das Pech hatte, in der Nähe von jemandem gesessen zu haben, der positiv getestet wurde, dann wird er auf eigene Kosten für 14 Tage unter Quarantäne gestellt. Diese Tatsache wurde bei der Bekanntgabe der Öffnung der Grenzen bewusst verschwiegen. Lokalen Medienberichten zufolge hat dies einige Besucher mindestens 50.000 Baht gekostet, in einem anderen Fall stellte ein örtliches Krankenhaus sogar 350.000 Baht in Rechnung.
Die relativ hohen Kosten für Covid-Tests am Flughafen, die zusätzliche Einreisegebühr von 500 Baht ab Januar 2022, die bei der Ankunft an einem Schalter erhoben wird, Medienberichte über überfallene, vergewaltigte und ermordete Touristen, die doppelte Preisgestaltung und vermehrte Taxibetrügereien lassen den guten Ruf Thailands als Reiseziel langsam schwinden.
Angesichts der düsteren Aussichten für den internationalen Tourismus muss das Land über alternative Strategien nachdenken, um die thailändische Wirtschaft zu sanieren und neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen.
Wiederbelebung des Inlandstourismus
Die Regierung legte noch im Jahr 2020 ein Programm auf, um den Inlandstourismus zu fördern, das im März 2021 2,23 Millionen Inlandstouristen zu einem Urlaub vor Ort veranlasste, bevor im April, nach den Songkran-Feiertagen, die Zahl der Covid-Fälle wieder anstieg und Reisebeschränkunen erlassen wurden.
Dabei zeigte sich, dass viele der allseits bekannten Touristengebiete weniger stark nachgefragt wurden, während bislang weniger frequentierte Regionen bei thailändischen Touristen überaus beliebt sind. Dazu gehörten Gebiete, die Öko- und Agrartourismus-Attraktionen mit Essen und Unterkünften im Resort-Stil entwickelt haben. Auch Abenteueraktivitäten wie Rafting sind entlang von Flüssen entstanden, ebenso wie Pontonfahrten auf den Seen und landschaftlich reizvolle Restaurants mit speziell auf den thailändischen Geschmack abgestimmten Gerichten.
Während die meisten Rotlichtviertel inzwischen verödet sind, haben sich Grenzstädte wie Betong im tiefen Süden als Wochenendausflugsziele für große Motorrad- und Familiengruppen neu erfunden. Die Gewinner des Aufschwungs im Inlandstourismus waren abenteuerorientierte kleine und mittlere Unternehmen, von denen viele bereits vorher im Auslandstourismus tätig waren, sowie Boutique-Hotels und Öko-Resorts in Familienbesitz. Daneben wurden viele Touristen-Hotels entweder als Apartments wiedereröffnet oder in Hospitäler für Covid-Quarantäne umgewandelt.
Wenn die Vorschriften der Provinzen für Inlandsreisen amgepasst werden und die Zahl der Covid-Fälle auf ein akzeptables Niveau sinkt, wird der Inlandstourismus voraussichtlich wieder über die Zahlen vom März 2021 hinaus ansteigen. Es ist durchaus nicht abwegig, dass es 2022 mehr als 25 Millionen Inlandstouristen geben könnte. Der Inlandstourismus wird die Ausgaben im ganzen Land in die Kassen von kleinen und mittleren Unternehmen und Familienbetrieben verlagern.
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